Donnerstag, 22. Januar 2009

Gefahren: Nicolai Ion G-Boxx II

Ein glücklicher Zufall wollte es so, dass an zwei der vier Tage meiner Sommerferien, die ich im Bikepark Winterberg verbrachte, auch das Team Nicolai anwesend war und seine Räder zur Probefahrt bereitstellte. Vom 10kg XC-Bike bis zum DH-Geschoss war jede Gattung vertreten, aus allen aber nur das Feinste und Schönste.

Da ich ja im Bikepark unterwegs war und von meiner Liftkarte gebrauch machen wollte, interessierten mich die Tourenräder zunächst eher weniger, meine Blicke wurden sowieso von genau einem Fahrrad am meisten angezogen: dem Ion G-Boxx II.

Über Getrieberäder hatte ich ja schon einiges gehört und gelesen, Greg Minaar wurde scheinbar auf einem Getriebebike, was hinterher gar keines war, Weltcup-Gesamtsieger, und so war ich mehr als neugierig die Vor- und Nachteile der Technik selbst erfahren zu können.


Kalle Nicolai gab persönlich noch einige Tipps, schließlich würde ich das Rad entjungfern, zum Thema Schalten, Schwerpunkt, weiß nicht was, aber ich wollte erstmal fahren. Zunächst einmal musste ich einige Meter Piste bergauf fahren, wozu ich den wunderschön gefrästen, sehr technisch anmutenden Drehgriff in Richtung leichter drehte. Was dadurch passierte, überrascht mich: Nichts. Wirklich nichts? Moment – doch – klar! Das treten fällt plötzlich deutlich leichter! Dieses Wunderding namens G-Boxx II hatte es also wirklich geschafft, unter Last den Gang zu wechseln, ohne das ich davon etwas gemerkt hätte. So beeindruckt fuhr ich erstmal zum Lift, immer wieder ausprobierend und nachspürend, ob nicht doch ein Ruck, ein Geräusch, einfach irgendetwas zu vernehmen sei. Vergebens. Die einzigen Geräusche, die ich vernahm, waren das sanfte schlürfen der Rock Shox Boxxer und des Vivid 5.1 Dämpfers, die für die Federung sorgten.


Immer noch in einer Stimmung überraschter Ungläubigkeit trat ich also in die feinen NC17 Sudpin III S-Pro Pedale, um mich den Downhill des Winterberger Bikeparks hinab zu befördern. Dieser hatte mich am Tag zuvor mit seinen Bremswellen, Wurzeln, Steinen und Sprüngen ab und an etwas genervt und ich war gespannt, wie das Fahrwerk diese Rüttelpiste besänftigen würde.

In einem Wort: Beeindruckend.


Um das ganze etwas auszuführen: Während der gesamten Abfahrt umgab mich diese angenehme Atmosphäre, nur weiche Reifen, arbeitende Federung und der Freilauf, ganz ohne störendes Geklappere. Ich denke im Video ist das recht gut nachzuvollziehen. Bremswellen? Welche Wellen? Stöße? Das einzige was ich noch wahrnahm, waren Kurven, G-Kräfte und Endorphine.


Unglaublich, ein wie viel höheres Tempo das Getriebe allein dadurch erlaubt, dass zu jedem Zeitpunkt ohne Antriebseinflüsse getreten werden kann! Der Gang sitzt immer, die Mechanik arbeitet so seidenweich und perfekt, die Übertragungseffizienz täuscht dicke Oberschenkel vor! Im Lift erinnerte ich mich dann an Kalles Tipp: Vor der Kurve aufhören zu treten, ein leichter Dreh am Shifter und am Kurvenende einfach rein treten und rausfeuern. Das zu Herzen genommen waren die nächsten Abfahrten nochmals deutlich schneller, sodass die Sprünge mit viel Geschwindigkeit genommen werden konnten und mir in der Luft nur eines auffiel: Handlich! Das lässt sich ja fast so leicht bewegen wie mein 12kg Hardtail!


Wie kann das bei 19,5kg sein? Das Zauberwort heißt in diesem Fall: Schwerpunkt. Dämpfer und Getriebe sitzen sehr zentral, am Hinterrad fehlen Ritzel, Schaltwerk und Freilauf. Diese Massenverteilung ist nicht nur beim Springen, sondern auch in Kurven sehr spaßfördernd…

Schweren Herzens habe ich das Bike dann doch wieder abgegeben und, die Antwort schon fürchtend, nach dem Preis für so viel wow gefragt.

Die Antwort war: „Nicht ganz billig.“ Passender wäre aber eigentlich gewesen: Angemessen. Denn der Mehrpreis gegenüber einem Specialized, Norco oder ähnlichem ist zum einen nicht so gigantisch, zum anderen aber deutlich sicht- und vor allem spürbar! Der strotzt nur so vor Liebe zum Detail und Ingenieurskunst – handgemacht in Lübbrechtsen – und verfügt über ein innovatives, beeindruckend funktionierendes Federungs- und Schaltkonzept. Obendrauf gibt es eine gute Portion Individualität und Extralove.

Ein Ford fährt mich ja auch von A nach B – und trotzdem würde ich einen perfekt verarbeiteten Golf vorziehen. Oder einen Porsche. Nur dafür müsste – und würde ich auch – etwas mehr bezahlen.


Fazit: Das Ion und seine G-Boxx haben für mich den Beweis erbracht: Im Bikepark gibt es nichts großartigeres als ein Getriebe: übergangslose Schaltvorgänge, keine Antriebseinflüsse und der zentrale Schwerpunkt haben mich restlos überzeugt. Außerdem punktet das System durch Wartungsarmut, Rennradkassettenähnlicher Übersetzung und Sturzresistenz. Der Nachteil des objektiv höheren Gewichtes verschwindet sogar für mich als Leichtbauer in Anbetracht meiner subjektiven Wahrnehmung. Erstaunlich aber wahr. Aber genau das ist ja auch die G-Boxx selbst.


Kleine Anmerkung: Die geschilderten Fahrberichte sind natürlich zu 100% subjektiv. Alles in allem war das Ion das Fully, das mir am meisten Spaß gemacht hat, dabei muss es sich folgender von mir gefahrener Konkurrenz stellen: Nicolai Ion ST, Nicolai Helius FR, Rotwild RED ONE und TWO, Balfa BB7, Fusion Whiplash, Kraftstoff DH, Specialized Big Hit und Ghost World Cup DH…


Youtube video, Musik by Chris Velan - 20 year flood, Filmed and Edited by Tobias Stahl





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